Die Rente – Systemische Defizite, aber viel besser als ihr Ruf!
Berlin, 13.10.2017
Die neue Präsidentin Anke Voss fordert kreative Ideen für weitere Reformen. „Wir sollten diskutieren, wo mehr Flexibiltät sinnvoll wäre.“
Auf den Rentenberatertagen 2017 in Berlin erläuterte der ehemalige Arbeitsminister Dr. Norbert Blüm „Die Philosophie der Rentenversicherung“. Sein Fazit: Das Solidarprinzip muss konsequent erweitert werden.
Die scheidende Präsidentin, Marina Herbrich, lobte in ihrer letzten Eröffnungsrede Erfolge der zurückliegenden Rentenreformen, stellte aber klar, dass viele Regelungen so kompliziert sind, dass Betroffene das nicht mehr allein durchdringen können. Der Berufsstand der Rentenberater würde mehr und mehr gefordert und in Zukunft noch größere Bedeutung bekommen.
Allerdings sparte sie auch nicht mit Kritik. Künftig würden mehr Menschen im Alter von Grundsicherung leben müssen. Durch geringe Löhne, gebrochene Erwerbsbiografien und einen späten Eintritt in das Berufsleben, hätten sie kaum eine Möglichkeit adäquat für das Alter vorzusorgen. Herbrich weiter: „Die Chance im ‚Flexirentengesetz’ auch Regelungen gegen Altersarmut aufzunehmen, wurde leider nicht genutzt. Gerade Minirenten könnten zum Beispiel durch die Wiedereinführung der Mindestentgeltpunktebewertung angehoben werden.“
Der frühere Bundesarbeitsminister, Dr. Norbert Blüm, hob in seinem Vortrag zur Philosophie der Rentenversicherung hervor: „Der erste und wichtigste Grundsatz des Sozialstaates und der Rentenversicherung ist die Solidarität.“ Auf der größten deutschen Tagung anerkannter Rentenexperten warnte er vor 120 Gästen davor, dem liberalen Motto ‚Jede Generation sorgt für sich selbst‘, zu folgen. Viele würden in Armut zurückgelassen.
Bei den turnusmäßigen Vorstandswahlen wurde in Berlin ein neuer Vorstand gewählt.
Präsidentin:
Anke Voss
1. Stellvertreter (zugleich Schatzmeister):
Torsten Hoffmann
2. Stellvertreter:
Rudi F. Werling
Beisitzer:
Annette Fresdorf, Daniel Konczwald
Der neue Vorstand des Bundesverbands der Rentenberater e.V. wird den Reformbedarf in der gesetzlichen Rente weiter konstruktiv, aber auch kritisch begleiten.
Die neu gewählte Präsidentin des Bundesverbandes der Rentenberater e.V., Anke Voss, sieht – bei allen Erfolgen – noch viel Handlungsbedarf. „In der gesetzlichen Rente gibt es systemische Defizite. Sie bindet in erster Linie Arbeiter und Angestellte ein und es gibt nur sehr beschränkte Möglichkeiten, sich freiwillig bzw. höher zu versichern.“
Eine ergebnisoffene Diskussion über die Öffnung der gesetzlichen Rentenversicherung für Selbständige, Beamte und berufsständisch Versicherte sei deswegen überfällig.
„In den vergangenen zwei Jahren ist in der Großen Koalition erfreulicherweise schon Vieles angestoßen und zum Teil auch verbessert worden. Wer zum Arbeiten zu krank ist, steht bei der Erwerbsminderungsrente heute immerhin etwas besser da.“
„Aber das reicht bei Weitem nicht.“, so die neue Präsidentin weiter. „Für die kommende Regierung gibt es noch viel zu tun. Gerade die gesundheitlich bedingte Frühverrentung stellt ein hohes Armutsrisiko dar. Für elementare Bereiche, wie den Kampf gegen Armut im Alter, brauchen wir schlüssige Konzepte. Über die Wiedereinführung einer Mindestrentenbewertung sollte nachgedacht werden, die Öffnung der gesetzlichen Rente für freiwillige Beitragszahler oder auch die Freigabe des Renteneintrittsalters – das sind Ideen, über die wir reden werden.“
„Unser Rentensystem hat sich durchaus als zuverlässig erwiesen.“, findet Anke Voss. „Aber gerade bei Jüngeren fällt oft der Satz: ‘Wenn ich in Rente gehe, gibt es ja sowieso nichts mehr oder höchstens ´ne Einheitsrente‘. Eine wichtige Aufgabe ist deshalb, Vertrauen zurück zu gewinnen. Aus meiner Sicht ist die Rente deutlich besser als ihr Ruf!“